Botox to go – Facelift in der Mittagspause
(Trendglossar 03/2020) Jung und schön sein liegt im Trend. Um sich den Wunsch nach einem verjüngten Aussehen zu erfüllen, suchen viele Patientinnen und Patienten einen Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie auf. Ästhetische Gesichtsbehandlungen sind dabei seit Jahren Spitzenreiter der Behandlungsstatistik. Wir fragen nach bei Dr. med. Steffen Handstein, Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie in Dresden und Görlitz.
Herr Dr. Handstein, welche Behandlungen in der ästhetischen Gesichtschirurgie werden am häufigsten durchgeführt?
Das sind die minimalinvasiven Eingriffe. Darunter versteht man Behandlungsmethoden, deren Ergebnisse einerseits ohne Operation im klassischen Sinn erzeugt werden, andererseits jedoch weniger nachhaltig sind. Daher müssen sie von Patientinnen und Patienten etwa zur Auffrischung oder auch zum schrittweisen Aufbau eines Effekts wiederholt angewandt werden. Die beliebtesten Eingriffe sind Faltenbehandlungen mit Botulinumtoxin und sogenannten Fillern wie Hyaluronsäure sowie Lippenkorrekturen. Kleine Fältchen und Unebenheiten können durch die Faltenunterspritzung ausgeglichen werden, was dem Gesicht wieder mehr Frische und Jugendlichkeit verleiht. Ebenso können die Lippen mithilfe von Hyaluronsäurefillern wieder harmonischer geformt werden. Auch können altersbedingte Volumenverluste ausgeglichen werden.
Die jährliche Mitgliederbefragung der VDÄPC zeigt, dass diese als sanfter empfundenen Behandlungen vor allem von Frauen nachgefragt werden. Die Tendenz ist kontinuierlich steigend: Beispielsweise führten wir im Jahr 2018 rund 14% mehr Behandlungen mit Botulinumtoxin bei Frauen durch als im Vorjahr. Ästhetische Eingriffe werden mittlerweile jedoch auch vermehrt von Männern gewünscht – hier an der Spitze steht die Oberlidstraffung. Durch eine Oberlidstraffung kann das Gesicht wieder offener und wacher wirken, was auch für viele Männer heutzutage – vor allem aus den Führungsetagen und bei beruflichen Tätigkeiten mit viel Kundenkontakt – von Interesse ist.
Patientinnen und Patienten, die mitten im Berufsleben stehen, tendieren offenbar immer mehr zu kurzfristigen Entscheidungen. Was halten Sie von den Trends „Botox to go“ oder „Schönheits-OP in der Mittagspause“?
Beim Botulinumtoxin tritt die Wirkung des Medikaments erst innerhalb von einigen Tagen bis zu zwei Wochen ein. Ein Effekt in der Mittagspause entsteht also nicht unmittelbar. Wenn eine Patientin oder ein Patient den Wunsch nach „Botox to go“, bzw. einer minimalinvasiven Faltenbehandlung äußert, handelt es sich aus medizinischer Sicht aber eigentlich bei den meisten der Behandlungswünsche um einen weitaus komplexeren Eingriff. Um ein realistisches Behandlungsziel zu finden und ein optimales Ergebnis zu erzielen, bedarf es in der Regel mehrerer, zeitlich voneinander abgesetzter Behandlungsschritte. Sogenanntes Botox stellt dabei oft nur ein Element in der aufbauenden Behandlung dar. Auch sind Falten nicht nur Einkerbungen durch Muskelbewegungen, sondern eine Folge von schwindender Gewebequalität der Hautstruktur. Ebenso sind sie Folge eines charakteristischen Abbaus bestimmter Gewebeschichten wie den Fettdepots im Mittelgesicht. Das zeigt sich vor allem, wenn die Patientin oder der Patient bereits etwas älter ist. Meist ist eine Kombination unterschiedlicher Methoden erforderlich. Neben Hyaluronsäurefillern kommt beispielweise das chirurgische Needling oder ein sogenanntes Fadenlift zum Einsatz. Die Endresultate sind in der Regel auch nicht sofort sichtbar, sondern sie entfalten sich meist erst im Laufe von Wochen oder gar Monaten.
Welche Eingriffe eignen sich denn für die Mittagspause?
Bei der Faltenunterspritzung, beispielsweise bei der Zornesfalte, kann bei jungen Patientinnen und Patienten mit einer guten Gewebequalität durch die alleinige Anwendung von Botulinumtoxin auch in relativ kurzer Zeit ein gutes Ergebnis erzielt werden. Jedoch ist auch hier eine Vorab-Beratung beim Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie hinsichtlich des Wirkungsspektrums von Botulinumtoxin und der Nebenwirkungen im Sinne der Patientensicherheit zu empfehlen. Außerdem gibt es natürlich die Patientinnen und Patienten, die seit Jahren bereits regelmäßig bestimmte sanftere Anwendungen wie beispielsweise die Auffrischung bestimmter Gesichtspartien mit Hyaluronfillern in Anspruch nehmen. Solche Termine können durchaus in den Arbeitsalltag integriert werden.
Vor diesem Hintergrund muss man auch bedenken, dass Sie beispielsweise bei einem „Facelift“, das Sie in der Mittagspause vornehmen, keinesfalls die Nachhaltigkeit eines klassischen Facelifts erhalten. Bei diesem werden für ein optimales Ergebnis vielfältige Behandlungsschritte in einer passenden zeitlichen Abfolge aufgebaut und fachgerecht miteinander kombiniert. Das nimmt natürlich mehr Zeit in Anspruch.
Wie schätzen Sie generell die Entwicklung zur „Schönheits-OP in der Mittagspause“ ein?
Jede ästhetische Behandlung ist zunächst ein medizinischer Eingriff. Dieser bedarf somit der fachlichen Aufklärung und hat nicht nur medizinisch sondern auch rechtlich sinnvolle zeitliche Fristen. Daher rate ich meinen Patientinnen und Patienten davon ab, ästhetische Behandlungen nur aus Gründen der Zeitersparnis sozusagen „to go“ vornehmen zu lassen. Wir leben zwar in einer schnellebigen Zeit, in der immer mehr Aufgaben in immer kürzeren Zeiträumen erledigt werden sollen, jedoch können voreilige Entscheidungen im ästhetisch-plastischen Bereich für die Patientinnen und Patienten schnell unerwünschte Folgen bis hin zu notwendigen Korrekturbehandlungen nach sich ziehen.
Dr. med. Steffen Handstein, Chefarzt für Plastische Chirurgie und Leiter Mammazentrum Ostsachsen am Städtischen Klinikum Görlitz, Privatpraxis für Plastisch-Ästhetische Chirurgie in Dresden, Vizepräsident der VDÄPC
Interview: VDÄPC-Redaktion