Selfieboom – die prominente Nase
(Trendglossar 02/2020) Bestimmt die digitale Ästhetik zunehmend unser Verständnis von Schönheit?
Studien zeigen, dass junge Menschen immer häufiger aussehen möchten wie ihr bearbeitetes, gefiltertes Selfie. Als Vorbilder dienen die „perfekten“ Looks von Internet-Stars und Influencern aus Social Media wie Instagram oder Youtube.
Wir fragen nach bei Dr. med. Jacqueline Eichhorn-Sens, Fachärztin für Plastisch-Ästhetische Chirurgie mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Nasenkorrekturen in Berlin.
Frau Dr. Eichhorn-Sens, welche Wünsche äußern Ihre Patientinnen und Patienten?
Die Patientin oder der Patient fühlt sich nicht wohl mit ihrer oder seiner Nase und äußert den Wunsch, dass diese besser in das Gesamtbild passen soll. Der Eingriff soll das körperliche Wohlbefinden im Alltag und die allgemeine Zufriedenheit mit dem Äußeren steigern. Viele Patientinnen und Patienten erhoffen sich auch eine positive Auswirkung auf das Selbstbewusstsein.
Der Trend geht dabei definitiv in Richtung „neue Natürlichkeit“. Man möchte kleine Makel der Natur ausgleichen, aber die Nase soll später keinesfalls als „gemacht“ oder operiert aussehen.
Welcher Eingriff wird am häufigsten nachgefragt?
Ein Klassiker ist beispielsweise eine Nase mit einem Höcker, der entfernt werden soll. Oder die Patientin oder der Patient hat das Gefühl, die Nasenspitze ragt zu weit aus dem Gesicht raus oder hängt – besonders beim Lachen – stark nach unten und wirkt dabei sehr breit. Oft wird daher auch eine Verkürzung und Verschmälerung der Nase gewünscht. Ein weiterer Klassiker ist die individuelle Veränderung und Anpassung der Nasengröße, um einen harmonischen Ausgleich der Proportionen im Gesicht zu erhalten.
Immer wieder hört man in der letzten Zeit vom sogenannten Selfieboom und im Zuge dessen von veränderten ästhetischen Vorstellungen.
Das Phänomen des Selfiebooms hat sicherlich in den letzten Jahren massiv zugenommen. Im Zuge der Bilderflut, die uns heutzutage mittlerweile umgibt, beobachte ich auf jeden Fall deutlich veränderte und gesteigerte Erwartungen an das eigene Aussehen – und damit einhergehend eine zunehmende Beschäftigung mit dem äußeren Erscheinungsbild.
Haben sich auch die Behandlungswünsche Ihrer Patientinnen und Patienten verändert?
Während die Patientinnen und Patienten früher gelegentlich mit alten Fotos in die Praxis kamen, sind es heute häufig bearbeitete Selfies, welche als Vorlage für die Behandlungswünsche dienen. Jedoch hat die Mehrheit meiner Patientinnen – überwiegend sind es übrigens Frauen, die zu mir in zur Behandlung kommen – nach wie vor weitestgehend realistische Vorstellungen von sich sowie den Möglichkeiten einer optischen Veränderung.
Natürlich kommt es auch vor, dass Vorstellungen nicht realistisch sind. Das kann besonders dann der Fall sein, wenn die Patientin oder der Patient den Wunsch äußert, einer Person aus der Öffentlichkeit ähnlich zu sehen, die aber einem völlig anderen Typ entspricht – oder wenn sich durch die Nasenoperation erhofft wird, dass sich das ganze Leben daraufhin ändert. Hier liegt es besonders in meiner Verantwortung als Ärztin, darüber Aufklärung zu leisten, was im Bereich des Machbaren und medizinisch Sinnvollen liegt.
Gibt es die prototypische Patientin?
Nein, die gibt es bei mir nicht. Jede kommt mit ihren ganz individuellen Wünschen und Vorstellungen in meine Praxis. Jedoch beobachte ich tatsächlich zwei ganz unterschiedliche Tendenzen: Einerseits kommen viele junge Frauen im Alter von 18 bis ca. 25 Jahren mit bearbeiteten Selfies. Diese Patientinnen sind mit den digitalen Medien groß geworden, zeigen sich überwiegend sehr reflektiert und haben genaue Vorstellung hinsichtlich des geplanten Eingriffs und der realistischen Umsetzung. Meist handelt es sich um Wünsche, die bereits seit der Pubertät bestehen.
Auf der anderen Seite stelle ich fest, dass sich aufgrund des Selfiebooms nun auch Patientinnen im Alter ab 45 Jahren mit dem Wunsch nach einer Nasenkorrektur vorstellen, die im Verlauf ihres Lebens bisher keine Unstimmigkeiten an ihrem Äußeren bemängelt hatten. Im Zuge des ständigen sich selbst Fotografierens und dem permanenten Vergleich mit den uns umgebenden Bildern der sozialen Medien, erhalten sie relativ plötzlich den Eindruck, dass zum Beispiel die Nase viel zu groß ist oder etwas anderes in ihrem Gesicht nicht stimmt. Das sehe ich sozusagen als mediengemachtes Problem. Eine OP kann dann oft keine Zufriedenheit bewirken.
Was ist bei einer Beratung für Sie wichtig?
Ich lege großen Wert darauf, anhand meines Fragebogens bestimmte Dinge vorab gemeinsam zu besprechen. Beispielsweise interessiert mich als Fachärztin auch, wie intensiv sich die Patientin oder der Patient mit dem „Makel“ beschäftigt beziehungsweise wieviel Zeit täglich der Gedanke an einen Korrekturwunsch aufkommt. Für mich ist es darüber hinaus auch wichtig zu erfahren, ob der Wunsch besteht, einer Person des öffentlichen Lebens ähnlich zu sehen. Dann findet die medizinische Untersuchung statt. Hat die Patientin oder der Patient Fotos mitgebracht, schaue ich mir diese immer erst nach der Untersuchung an. Wir besprechen Fragen wie: „Ist es realistisch?“ sowie auch: „Macht der Eingriff Sinn?“, „Wie läuft der Eingriff ab?“, „Was muss ich nach der OP beachten?“
Die Patientin oder der Patient soll sich auf jeden Fall immer genügend Bedenkzeit einräumen. Dann steht einer erfolgreichen Operation nichts mehr im Wege.
Dr. med. Jacqueline Eichhorn-Sens, Fachärztin für Ästhetische und Plastische Chirurgie mit eigener Praxis in Berlin-Mitte, Vorstandsmitglied der VDÄPC.
Interview: VDÄPC-Redaktion